Geschichte der jüdischen Gemeinde Pforzheim
Die nur in Bruchstücken bekannte Geschichte der Pforzheimer Jüdischen Gemeinde reicht bis ins späte Mittelalter zurück, und sie umfasst auch und gerade all jene düsteren Kapitel, die die
Geschichte des Judentums in Deutschland und in Europa charakterisieren.
Es gibt nur spärliche mittelalterliche Überlieferungen für Juden in Pforzheim. Wir können lediglich annehmen, dass es wohl während des gesamten Mittelalters in Pforzheim Juden und eine Jüdische
Gemeinde gab, denn wir wissen aus dem 14. und späteren Jahrhunderten, dass in Pforzheim eine „Judengasse“ existierte, die vermutlich die heutige „Barfüßergasse“ ist. Als die Stadt Pforzheim während
des Pfälzischen Krieges am Ende des 17. Jahrhunderts mehrfach zerstört und geplündert wurde, wollte man die jüdischen Einwohner aus der Stadt weisen. Es wird berichtet, dass zwei Jahre später, nach
einer neuerlichen Besetzung und Zerstörung der Stadt durch französische Truppen, sich die Pforzheimer 1692 in ihrer Not am Salzlager eines jüdischen Kaufmanns vergriffen.
Aus dem Jahr 1709 erfahren wir erstmals von einem jüdischen Betsaal in der Stadt, dessen genaue Lage freilich unbekannt ist. 1812 weihte die Pforzheimer Jüdische Gemeinde dann ihre erste Synagoge ein. Die Gemeinde erwarb dafür das Anwesen Metzgerstraße 21, am nördlichen Ende des Waisenhausplatzes gelegen, ungefähr auf der Höhe des heutigen Eingangs des Stadttheaters. Von diesem Gebäude – es wurde nach dem Verkauf an einen Schmied im Jahre 1893 abgerissen – ist leider keine Ansicht überliefert; vermutlich handelte es sich um ein ganz normales Bürgerhaus, dessen Erwerb der im Jahre 1810 gerade 95 Mitglieder zählenden Jüdischen Gemeinde indessen beträchtliche Opfer abverlangt haben dürfte.
1893 konnte die Gemeinde dann schließlich die Einweihung einer neuen repräsentativen Synagoge auf dem Grundstück Zerrennerstraße 26 feiern. Die nach damaligem Geldwert gewaltigen Baukosten von 200.000,- Mark finanzierte die Gemeinde aus dem Verkauf ihres im Wert in den vergangenen Jahrzehnten beträchtlich gestiegenen Anwesens in der Metzgerstraße und aus Mitteln der Gemeindemitglieder, deren Zahl bis zur Jahrhundertwende auf knapp 450 angestiegen war. Die im maurischen Stil erbaute Synagoge setzte einen architektonischen Glanzpunkt der Stadt Pforzheim und fand starke überregionale Beachtung; die Pforzheimer Synagoge diente auch als Vorbild für den Synagogenneubau in Wuppertal-Barmen.
Erst nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg gewann der Antisemitismus auf breiter Front an Boden. Steinwürfe gegen die Pforzheimer Synagoge oder Hakenkreuzschmierereien auf dem Jüdischen Friedhof kamen öfter vor. Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Machtergreifung am 30. Januar 1933 wurde der Antisemitismus von einem Tag auf den anderen zur Staatsdoktrin: Boykott jüdischer Geschäfte, Ausschluss der Juden vom öffentlichen Leben und die gezielte Ausgrenzung durch die Nürnberger Rassengesetze. Die von den Nationalsozialisten verharmlosend als „Reichskristallnacht“ bezeichneten Ereignisse des 9. und 10. November 1938, bei denen es sich um ein staatlich organisiertes Pogrom handelte, bildete den ersten Höhepunkt der Judenverfolgung. In Pforzheim drang die SA in den Morgenstunden des 10. November in die Synagoge ein, verwüstete das Gotteshaus und zündete im Inneren Handgranaten. Die Zerstörungen dauerten bis in die Mittagsstunden, zahlreiche Pforzheimer Schüler des Gymnasiums und der Oberrealschule wurden Zeugen der Zerstörung.
Repressalien und Schikanen sollten auch die Pforzheimer Juden zur Emigration zwingen, in die Schweiz oder die USA, nach England, nach Südamerika und nach Palästina. Am 22. Oktober 1940 begann für
die verbliebenen 195 Pforzheimer Juden mit der Deportation ins südfranzösische Konzentrationslager Gurs der Leidensweg, der für die meisten von ihnen ein Weg ohne Wiederkehr war. Der industrielle
Massenmord des „Dritten Reiches“ kannte keine Gnade. Nur 55 der 195 Pforzheimer Juden überlebten die Vernichtungsmaschinerie von Auschwitz, Treblinka, Bergen-Belsen, Theresienstadt. Die meisten der
Überlebenden kehrten nach 1945 nicht nach Pforzheim zurück.
Rund 700 Jahre Pforzheimer jüdische Geschichte fand damit ein vorläufiges Ende, aber es dauerte nicht lange, bis sich wieder Ansätze zu einem jüdischen Gemeindeleben bemerkbar machten. Heute gibt es
eine vitale Jüdische Gemeinde, die wie in den 750 Jahren zuvor Glied und Teil unserer Stadt ist.
Dr. Hans-Peter Becht
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